Whisker

Allgemeines

Whisker sind nadelförmige, metallische Einkristalle mit einem Durchmesser im Bereich von einigen Nanometer- bis hin zu dem Mikrometerbereich. Die beobachten Längen liegen im zwischen Nanometern und Zentimetern. In den vergangenen Jahrhunderten sind diese Einkristalle im Bergbau als Haarsilber beobachtet und verwertet worden. Aus dem englischen wurde dann für die auch als Bart- oder Schnurrhaar bezeichneten Phänomene der Begriff Whisker geprägt Mit der Entwicklung der Technik wurden die Grundlagen der Einkristallbildung und mögliche Verwertung gefördert.

Mitte des 20.Jahrhunderts wurden in einzelnen elektrischen Bauteilen Kurzschlüsse beobachtet, deren Ursache in diesen Whisker vermutet wurde. Mit der Entwicklung immer kleiner werdenden Bauteilen in der Elektrotechnik verschärfte sich das Problem und führte zum Beispiel im Bereich der NASA zu erheblichen materiellen Problemen durch den Ausfall von Raketen und Satelliten durch Whisker. Im Rahmen der Grundlageforschung der elektrischen Verbindungstechnik wurde dann für die wichtigen verzinnten Kupferflächen der Wirkmechanismus der Zinn-Whiskerbildung untersucht.

Mit dem heutigen Stand der Untersuchungen lässt sich herleiten, das in den galvanotechnisch erzeugten Zinnschichten auf Kupfermaterial in der Grenzschicht zwischen dem Kupfer und Zinnbelag Bronzen gebildet werden, die auf Grund ihres Kristallaufbaues mechanische Spannungen zwischen den Zinn- und Bronzekristallen hervorrufen. Eine besondere Rolle spielt hier die intermetallischen Cu-Sn-Phase Cu6Sn5. Im Bild ist ein grobes Modell dieser Zinn-Whiskerbildung dargestellt. Im Prozess der Galvanisierung gelangt das gereinigte Kupfer in das Galvanikbad. In Abhängigkeit vom Galvanikverfahren, dem Reinigungszustand des Kupfers, der Reinheit des Zinnmaterials oder der Zinnsubstanzen sowie der Zusammensetzung und Reinheit des Galvanikbades bilden sich im Bereich der Diffusionszone Inseln mit Kupfer-Zinn-Bronzen. Die inneren Materialspannungen in der Grenzschicht können noch durch Fremdmaterial, erzeugt durch Additive im Galvanikbad, verstärkt werden. Entscheidend für die Whiskerbildung ist auch die gewählte Korngröße der Zinnschicht. Bei einer Glanzverzinnung wird bewusst eine kleine Korngröße, gegenüber der Mattverzinnung mit einer großen Korngröße, angestrebt. Der innere Kristalldruck erhöht sich bei der kleineren Korngröße erheblich, auch ist der Einfluss der Fremdmaterialen größer.

Whisker in der Starkstromtechnik

 

In der Starkstromtechnik sind Whisker in dem Zeitraum ab1950 vereinzelt festgestellt worden, ohne das es dazu eine gründliche Analyse gab. Mit dem Bleiverbot (RoHS-Richtlinie, EG-Richtlinie 2002/95/EG zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten) traten aber Schäden an Elektroanlagen häufiger auf.

 

Eigene Beobachtungen ergaben sich 1969 bei der Auswertung der Langzeituntersuchungen an Kontakten von Transformatoren-Stufenschalter, die über einen Zeitraum von einem Jahr unter konstanter Öltemperatur Schaltzyklen unter Last durchführten. Bei Teilentladungsmessungen an Geräten der Spannungsebenen 10 kV bis 30 kV konnten bei Erstbeaufschlagung mit der Prüfspannung Teilentladungen beobachtet werden, die plötzlich verschwanden. Detailuntersuchungen zeigten bei Neugeräten Whisker und bei geprüften Geräten Reste abgeschmolzener Whisker.

 

In Niederspannungsanlagen konnten Whisker in Schaltgeräten, NH-Sicherungselementen, Schaltanlagen und an Kabelschuhen nachgewiesen werden. Schwierig ist der Nachweis von Whisker nach Lichtbogeneinwirkungen, da durch die thermischen Einwirkungen und Rußablagerungen Whiskerspuren zerstört oder verdeckt sind. Häufig trifft man bei der Ermittlung solcher Störungen auf eine Voreingenommenheit und Ignoranz, die auf Unwissenheit oder auch wirtschaftlichen Interessen beruht. Grundsätzlich muss man aber bei der galvanischen Verzinnung von Kupferflächen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von Whiskerbildung ausgehen. Daher muss klar die Frage der Notwendigkeit der Verzinnung von elektrisch nicht notwendigen Flächen aufgeworfen werden. Aus der Sicht der thermischen Beanspruchung ist eine Zinnauflage, besonders der Blankverzinnung eher nachteilig, da die Wärmeabstrahlung gegenüber einem Kupferrohmaterial ungünstiger ist. Die Ansichtsgüte dürfte bei industriell gefertigte Baueinheiten ebenfalls keine Rolle spielen. Bleiben also unnötige Kosten und Umweltprobleme. Für Kontaktflächen muss beachtet werden, ob es einmalige, industriell gefertigte Verbindungen oder Wechselmöglichkeiten notwendig sind. Bei industriell gefertigten Verbindung ist eine Verzinnung nicht notwendig, da eine sachgemäße Fertigung eine ausreichende Qualität liefert. Der praktische Nachweis ist in Anlagen, wo häufig Whisker auftraten und vom Auftraggeber zinnfreie Elemente geforderte und angewendet wurden, ohne Qualitätseinbußen erbracht.

 

Wo traten häufig Whisker auf? Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Auffällig ist, dass da, wo einmal eindeutig Whisker als Störursache ermittelt wurden, kritische nachgesehen wird und Whisker erkannt werden. Viele Störungen an gleichen Bauelementen werden aber häufig als ungeklärt abgeschlossen, da die Whisker-Problematik unbekannt ist oder ignoriert wird. Aus den bisher durchgeführten Störuntersuchungen lässt sich herleiten, das in Anlagen mit konstanter Betriebstemperatur der Sammelschienen im Bereich von > 60°C und 24-Stundenbetrieb eine Häufung zu beobachten ist Umwelteinflüsse sind nicht nachweisbar, aber mit Sicherheit nicht auszuschließen, da durch Poren in der Zinnschicht durchaus Fremdstoffe eindringen und die inneren Spannungen erhöht werden können. In der Literatur wird auch auf Stressbeanspruchung des Materials durch eine mechanische Bearbeitung nach dem verzinnen verwiesen. Aus den Störuntersuchungen lässt sich das nicht belegen, da die Häufung der Whiskerbildung überwiegend an nicht beanspruchten Flächen beobachtet wurde.

Eindeutig nachgewiesen wurde Whisker auch an verzinnten Aluminiumschienen. Ursache dieser Whisker ist die technologisch notwendige Verkupferung der Aluminiumschiene vor dem galvanischen Zinnauftrag.

 

Ein sehr häufig diskutiertes Problem ist die Stromtragfähigkeit der Whiskerfäden und damit die Möglichkeit einer Lichtbogenzündung. Klar und eindeutig ist die Situation, dass mit einem Whiskerfaden die Lichtbogenzündung sehr unwahrscheinlich ist. Vorgestellte Versuche mit sehr dünnen Drähten und minimalen Luftstrecken belegen das auch. Die Realität in den Whisker behafteten Anlagen stellt sich aber anders dar. Liegt eine Whisker-Belastung von mehr als 10 Whisker pro cm² vor, besteht die Möglichkeit, dass ein Whiskerfaden zündet und wegschmilzt. Dabei entsteht eine geringe Menge von ionisierten Gasen. Wird das Whisker behaftete Bauelement von einem Strom durchflossen, wird durch das Eigenmagnetfeld des stromdurchflossenen Leiters das ionisierte Gas beschleunigt und in dem Bereich einen naheliegenden Whiskers mit erhöhter Feldstärke gezogen. Dieser kann nun zünden und durch den fortlaufenden Mechanismus eine Stoßentladung einleiten. Aus den Störuntersuchungen ist herzuleiten, dass das häufig an Kanten, Winkel und Engstellen von Stromschienen auftritt.

 

Beispiel einer Whiskerbildung in einem Verteiler
Whisker auf einer verzinnten Kupferschiene
verzinnte Kupferschiene in einem Schaltgerät
Whisker auf einer verzinnten Aluschiene

Die Videos können in einer besseren Auflösung in der Galerie der IBV-Seite https://whisker-videos.lichtbogen-live.de/#collections eingesehen werden 

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